18.09.2025
Am ersten Augustwochenende konnten meine Frau und ich an einer Wanderung der goldenen 20er teilnehmen – für uns ein besonderer Moment.
Die Tour führte rund um die Halterner Seen und durch die angrenzende Heide. Nach einer längeren Pause war es die erste größere Wanderung, bei der meine Frau wieder dabei sein konnte. Seit dem Schlaganfall im Februar 2024 hat sich unser Alltag stark verändert. Aufgrund einer halbseitigen Lähmung ist Gehen für sie nur unter großer Anstrengung und auf kurzen, ebenen Strecken möglich. Der Rollstuhl hilft im Alltag, ist für unbefestigte Wege jedoch nur eingeschränkt geeignet. Wanderungen, wie wir sie früher regelmäßig unternommen haben – ob im Urlaub oder im Münsterland – schienen zunächst nicht mehr machbar.
Wir beschäftigten uns daher intensiv mit den verfügbaren „Outdoor-Rollstühlen“ auf dem deutschen Markt. Unsere Recherchen zeigten jedoch: Viele Modelle waren zu schwer, zu sperrig oder nicht geländetauglich genug. Durch Zufall stießen wir auf YouTube auf den „Cascade“ des amerikanischen Herstellers Huckleberry Hiking (huckleberryhiking.com). Das System besteht aus einem Tragegestell, ähnlich einer Lastenkraxe, und einem gefederten Anhänger mit breitem Mountainbike-Reifen und Scheibenbremse. Die Konstruktion verteilt etwa 75 % des Gewichts auf das Rad und 25 % auf den Rücken des Trägers. Da es in Deutschland keine vergleichbaren Produkte gibt, bestellten wir den Cascade auf gut Glück. Erste Versuche in Gremmendorf und an der Pleister Mühle waren zwar ungewohnt, aber vielversprechend. Es braucht etwas Zeit, um sich an Gerät und Gehweise zu gewöhnen.
Die Wanderung in Haltern war unser erster längerer Einsatz. Die 24 Kilometer führten durch abwechslungsreiches Gelände – von Schotterwegen über Waldpfade bis zu sandigen Abschnitten in der Heide. Die ersten 11 Kilometer trug ich den Cascade alleine. Mit kurzen Pausen zum Nachjustieren der Gurte fühlte sich die Belastung vergleichbar mit einem vollgepackten Wanderrucksack an – etwa 18 kg auf dem Rücken. Die Gewichtsverteilung und die Federung machten das Tragen überraschend angenehm. Besonders hilfreich war die Unterstützung unserer Wandergruppe. Beim Überqueren eines umgestürzten Baumstamms zeigte sich, wie geländetauglich das System ist – mit etwas Anschieben ließ sich das Hindernis gut überwinden. Auch verwurzelte Wege und leichte Steigungen waren kein Problem. Im weiteren Verlauf übernahmen einige Mitwandernde das Tragen – teils aus Neugier, teils aus Hilfsbereitschaft. Ihr Fazit: ungewohnt, aber machbar.
Der letzte Abschnitt führte durch die Heide ein Gebiet, das mit Rollstuhl kaum zugänglich wäre. Die sandigen Wege stellen selbst für geübte Wanderer eine Herausforderung dar, doch der Cascade meisterte auch diesen Teil zuverlässig. Für meine Frau war es ein besonderer Moment: Nach langer Zeit wieder mitten in der Natur zu sein, die Umgebung wahrzunehmen und Teil der Gruppe zu sein. Der Cascade hat ihr ein Stück Lebensqualität zurückgebracht, das sie seit dem Schlaganfall vermisst hat. Wir danken unserer Wandergruppe herzlich für die Unterstützung und Offenheit – ohne euch wäre dieser Tag nicht möglich gewesen.
Aktuell ist der Cascade für Kinder und Jugendliche konzipiert (max. 1,60 m und 65 kg). Laut Hersteller wird jedoch bereits an einer Version für Erwachsene sowie an einem elektrischen Antrieb gearbeitet. Falls ihr Fragen habt, selbst jemanden mit Bewegungseinschränkungen kennt oder den Cascade einmal ausprobieren möchtet – meldet euch gerne bei mir: patrickwehri@gmail.com
Text: Patrick Wehri